Rund hundert Jahre sind vergangen seit Schönbergs „Pierrot Lunaire“ und Stravinskys „Sacre de Printemps“ – jenen zwei Meilensteinen der Musikgeschichte, die endgültig die musikalische Moderne einleiteten. Wenige Jahre später kam erstmals der Begriff Neue Musik auf, der von nun an das zeitgenössische, „ernste“ Musikschaffen in Mitteleuropa etikettieren sollte und im Gegensatz zum neutralen Attribut „zeitgenössisch“ nicht frei von ästhetischen und ideologischen Implikationen ist. Die beiden grossen Antipoden zu Beginn des 20. Jahrhunderts sind mittlerweile einem unüberschaubaren Neben- und Miteinander unterschiedlichster Kompositionstechniken, Personalstile und ästhetiken gewichen und auch der polare Gegensatz progressiv/regressiv ist heutzutage problematischer denn je. Diese und weitere Aspekte, wie die immer geringeren finanziellen Mittel und die sinkende mediale öffentlichkeit, führten zu stark veränderten Produktions- und Existenzbedingungen, denen man als Komponist/in und Interpret/in begegnen muss.
In diesem Konzert stellt sich die jüngste Komponist/innen-Generation aus Graz vor. Allesamt Student/innen der Kunstuniversität Graz (Prof. Klaus Lang, Prof. Gerd Kühr, Prof. Richard Dünser), repräsentieren sie unterschiedlichste Zugänge zur Neuen Musik, von minimalistischen, konzeptuellen oder aleatorischen Ansätzen über die Beschäftigung mit dem konkreten Instrumentalklang bis zur kompositorischen Auseinandersetzung mit historischen Stilrichtungen und musikalischen Klischees.
Diese jungen Komponist/innen befinden sich noch am Beginn ihrer beruflichen und künstlerischen Laufbahn. Das Finden einer persönlichen Klangsprache, um in dem überangebot permanent verfügbarer Musik nicht unterzugehen, sowie Selbstvermarktung und Unternehmertum - die logische Konsequenz aus der fortschreitenden ökonomisierung aller Lebensbereiche -, all das steht ihnen noch bevor. Mit diesem selbst organisierten Konzert treten die jungen Künstler/innen einen Schritt in die öffentlichkeit, um ihre Ideen ausserhalb des relativ geschützten Universitätsumfelds zu erproben und sich auf den Sprung ins kalte Wasser vorzubereiten. Das Programm setzt sich zusammen aus Solo-, Duo- und Triostücken für Saxophon, Fagott, Akkordeon, Kontrabass und Flöte. Die Interpret/innen sind Studierende des Performance Practicum of Contemporary Music (PPCM) an der Kunstuniversität Graz – ein Masterstudium, in dem Musiker des Klangforum Wien die jungen Musiker/innen in Spieltechniken und Literatur der Musik des 20. Jahrhunderts unterrichten.
Sowohl die Komponist/innen als auch die Interpret/innen sind von unterschiedlichster Herkunft (Österreich, Deutschland, China, Südkorea, Mexiko, Irland, Italien, Slowenien, Mazedonien) und spiegeln damit den hohen Grad an Internationalität der Kunstuniversität Graz wider. Lassen Sie sich von einem abwechslungsreichen Programm überraschen und geniessen Sie die gemütliche Atmosphäre nach dem Konzert.
Christof Ressi