The stationary point in the evolution of a system

Intervention im Öffentlichen Raum Graz, Fotos

Eröffnung: 

Friday, 9. May 2014 - 18:00

Laufzeit: 

09/05/2014 to 04/07/2014

Video: 

Aktion, aldo Giannotti

„[…] ein Gedanke, welcher nur zu Papier gebracht eher den Charakter eines Ausrufzeichens hätte als den einer Frage.“ Aus einem Gespräch mit Aldo Giannotti

The stationary point in the evolution of a system geht zurück auf eine Reihe von indisziplinären Rundgesprächen, welche im Rahmen vom Projekt Untergangart – Parallelaktion(en) 2012 in Wien  stattfanden. Sie kreisten um Begriffe wie Schwebe, Gleichgewicht, Neigung und downfall im langen Schatten der noch immer fortbestehenden, globalen Finanzkrise. Ausgehend von dieser theoretisch-diskursiven Anregung hat Aldo Giannotti verschiedene Entwürfe für performative Installationen im öffentlichen Raum ausgearbeitet, welche die  Gleichgewichtsachse eines räumlichen Systems visualisieren und in Hinsicht auf die heterogene Distribution der Kräfteverhältnisse innerhalb einer gegebenen Gemeinschaft hinterfragen.

Ein weiß bemaltes Holzbrett (300x150cm) dient als performatives Forschungsdispositiv dazu, eine rein konzeptionelle Idee in die raue Realität einzubetten und somit auf Widerständigkeit und Potenzial zu prüfen. Den Kontext der Installationen bilden verschiedene architektonisch-infrastrukturelle Elemente aus dem öffentlichen Raum (Stiegen, Kanalufer, Bremsschwellen, etc.). Das Brett grenzt hingegen den performativen Handlungsumfang ab, innerhalb dessen die Körper der Akteure sich ungleichmäßig verteilen. Aus dem räumlichen Verhältnis des Brettes zur urbanen Umgebung sowie der Akteure zueinander ergeben sich nun kontingente Figuren eines prekären Gleichgewichts, welche eine je unterschiedliche Neigung und Fallhöhe festhalten und sichtbar machen: Eine »Pendenz«, die auf „ein ausgesetztes Urteil, eine unbeantwortete Frage“ (G. Agamben) hindeuten.

Durch ein für Giannottis Schaffen bezeichnendes Arbeitsverfahren – man denke an Italian Square oder Tribune u.a. – erschließt sich die konzeptuelle Tragweite des Werkes aus der gegenseitigen Verschränkung von abstrakter Zeichnung und performativer Ausführung, von knapper Aussage und ungelöster Frage, von Repräsentation eines vorhandenen Tatbestands („Die Welt, wie ich sie vorfand“, L. Wittgenstein) und Präsentation neuer politischer, ja utopischer Koordinaten (das Brett als Messinstrument einer a-realen Potentialität). Eben diese prozesshaften Wechselwirkungen legt die Vielfalt an Formaten (Zeichnung, Skulptur, Aktion), welche The stationary point in the evolution of a system ausmachen, offen.

Auf Einladung von esc medien kunst labor hat der Künstler für die Ausstellung Über Gänge eine neue Reihe sozialplastischer Interventionen im öffentlichen Raum realisiert. Diesmal hinterfragt Giannotti die basisdemokratische Idealvorstellung einer flachen gesellschaftspolitischen Ontologie, deren Fundament – sprich die Gleichheit – ein stabiles, horizontales Equilibrium gewährleistet und somit das Hervortreten von emporragenden Machtpositionen in einer Gemeinschaft unterläuft. Was in dem Verhältnis vom Brett zum räumlichen Bezugssystem (ein grünes Feld am Land, die zwei parallel verlaufende Schienen einer Einsenbahn und ein öffentlicher Platz) sowie der Akteure zueinander in Erscheinung tritt, ist hier das vorgestellte und nichtsdestotrotz mögliche Bild einer vollkommen gleichmäßigen Verteilung der Machtverhältnisse innerhalb des politischen Raums einer radikaldemokratischen Lebensform – eine Art Erinnerung aus der Vorzukunft an eine denkbare Möglichkeit, die Wirklichkeit gewesen sein wird.

AutorIn: 

Giorgio Palma
  • The stationary point in the evolution of a system, © esc medien kunst labor
  • The stationary point in the evolution of a system, © esc medien kunst labor