Membrane
Algorithmische Handlungsräume bestimmen nicht nur zunehmend unser Bild von der Wirklichkeit, sie erzeugen unsere Wirklichkeit, als Konkretisierungen im selbst erzeugten Möglichkeitsraum. Am Beispiel von Membrane, einer generativen Videoinstallation, wird ein künstlerischer Handlungsraum innerhalb Künstlicher Intelligenz beschrieben und danach gefragt, ob Algorithmen Neues, Ungedachtes hervorzubringen in der Lage sind und die Blickverschiebung von der Analyse hin zur Synthese und Fiktion dabei helfen kann, analytische Verfahren anders zu bewerten und sie als spezielle, normative Formen gesellschaftlicher Fiktion zu erkennen, welche vor allem einer Selbstverstärkung vorhandener Strukturen dienen.
Membrane verarbeitet Bildmaterial ähnlich einer klassischen, malerischen Geste. Die Verarbeitung wird einer Software überlassen, die spezielle „machine learning algorithms“ (technische und konzeptuelle Ausführung: Peter Serocka) verwendet und sich dabei auf kleinere, formale Bildelemente und -merkmale konzentriert. In Echtzeit- Videostreams werden abstrakte Artefakte dargestellt und über ein selbstlernendes neuronales Netz verwaltet. BesucherInnen haben die Möglichkeit mittels Interface zwischen erkennbarer Situation (realem Abbild der Straße), und Abstraktion, einer spekulativen Fortsetzung des Gesehenen als eine in der Zeit gelernte Selbstorganisation des Bildes zu wählen: Die Regler ändern die Werte einer Shader [C]rossbar, der [N]umber of Shaders, [F]eedback, [T]ime und [S]pace. Dieses Vorgehen erlaubt, Bilder selbst zu erzeugen und zu finalisieren. Der umgebende Klangraum besteht aus Aufnahmen der Stadt Graz im September 2020, die Tobias Zimmer realisiert hat.
Im Allgemeinen leisten die verwendeten Algorithmen – neuronale Netze – eine Komplexitätsreduktion und wirken wie Filter auf die eingegebenen Bilddaten. Die prinzipielle Offenheit, die Kontingenz des Bildmaterials wird dabei gezielt verringert, im Extremfall wird der Strom an Bildern auf eine Aussage reduziert. Neuronale Netze, eine zentrale Methode maschinellen Lernens, arbeiten dabei mit vernetzten „Sensoren“, welche zusätzlich zu ihren „Wahrnehmungsfähigkeiten“ Werte speichern können. Ein Neuron ist in seiner Wirkung völlig von der Architektur der Vernetzung zu anderen Neuronen abhängig. Die Gesamtheit der Neuronen erzeugt abstrakte, netzwerkartige Lernumgebungen, welche in der Lage sind, Eigenschaften von Datensets zu reproduzieren und auf Ähnlichkeit oder Unterscheidung zu bewerten.
Sobald nicht das Erkennen und Analysieren, sondern das Synthesepotenzial von Algorithmen in den Mittelpunkt gestellt wird, sind Verfahrensklassen wie neuronale Netze, genetische Algorithmen und viele andere Methoden kaum mehr als hilfreiche Metaphern, die es erlauben, mit dem Überschuss an regelbasierten Handlungsmöglichkeiten umzugehen.
Membrane ist die Veranschaulichung algorithmischer Fiktion im digitalen Bild. Die in der Informatik entwickelten Algorithmen werden hier nicht als Analysewerkzeug eingesetzt, sondern zur Synthese. Es geht nicht um das Erkennen eines Bildinhaltes, sondern um dessen Herstellung. Die Software soll auf Neigungen der BetrachterInnen in einem an sich offenen Feld von Entwicklungsmöglichkeiten reagieren können.
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Kooperationen/Team:
Support: Tobias Zimmer