Covered Skies Phase II

Ausstellung, Performances, Konferenz, Workshopserie

Ein dichtes Netz von Satelliten umspannt die Erde, sie sind allgegenwärtig und unsichtbar zugleich. Satelliten sind „obskure Medienobjekte“ (Lisa Parks).

Auch Covered Skies ist eine Fortführung eines Themenschwerpunkts. Aufbauend auf zahlreichen Worklabs, die zur Konstruktion des mursat1 führen, sind seit 2010 schon einige sehr reizvolle Kunstprojekte entstanden, die in aktualisierter Form auch in der Folgeausstellung gezeigt werden.

Sonifkationen im Rahmen des musikprotokoll 2011:

  • Jurij, Peter Venus
  • Coallition, Jogi Hofmüller
  • Windsong, Reni Hofmüller
  • Satellitenkonzert, Jogi Hofmüller
  • Raumsonde Venus Wega, Peter Venus, Marian Weger

Installationen, gezeigt in der Ausstellung Covered Skies 2012

  • Coallition 2012, Jogi Hofmüller
  • in caelum, Peter Venus, Marian Weger
  • Neuadaptionen und neue Kompositionen
  • Sternenstaub, Elisabeth Schimana (Adaption)
  • Moon Cataract, Richard Herbst (Uraufführung bei Liveübertragung in Zeitton Extended am 7.6.2012 auf ORF Ö1)

In dieser Reihe der Auseinandersetzung mit Satelliten soll zusätzlich zum bisherigen Technologie-Schwerpunkt mehr Augenmerk auf poetisch-installative Arbeiten gelegt werden, um den Kreis der direkt involvierten Künstler*innen zu erweitern.

Mittlerweile sind Satelliten aus unserem Technologiealltag nicht mehr wegzudenken: TV- und Internetnetzwerke, die gleichzeitig Ideen der Nationalstaatlichkeit wie auch der globalisierten Verbundenheit generieren. GPS bestimmt unsere Vorstellung von Verortetheit und dem Navi wird mehr Vertrauen geschenkt als der/dem Beifahrerin. Satelliten versorgen uns mit Bildern der Welt mittels geo-kartografierten Fotografien, und sie erweitern unsere Vorstellungen über das Universum durch Aufnahmen des Hubble Teleskops. Dabei sind die Satelliten gleichermaßen allgegenwärtig und unsichtbar. Sie sind “obskure Medienobjekte” (Lisa Parks).

Parallel dazu hat sich eine Vielfalt von Praktiken und Kulturen entwickelt, die Satelliten und deren Technololgien als Material einsetzen. Manche “tracken” Satelliten und berechnen deren Orbits, andere wie zB Funkamateure nutzen sie  als Funkrelaisstationen, Transponder und Repeater, und bauen und betreiben auch ihre eigenen.

Der prominenteste ARISSAT-1 ist am 4.1.2012 verglüht, nachdem er als erster Amateurfunksatellit direkt aus der ISS (International Space Station) am 3.8.2011 in den Orbit geschickt wurde, per hand von einen russischen Kosmonauten, live von NASA-TV ins Internet übertragen.

SoziologInnen analysieren die Machstrukturen und identitätsstiftende Rollen, die den großen Medienkonzernen zugrunde liegen. HackerInnen verwenden existierende Infrastrukturen, für Kommunikation oder zum Empfang von Ausstrahlungen, von Satellitentelefonen über Fernsehsignale bis hin zu Daten, die von Drohnen ausgesandt werden.

Satellitenkunst nimmt in ihren Anfängen ähnliche Entwicklungen wie jede andere telematische Kunst, in der Nutzung den neuen Verbindungsmöglichkeiten; mittlerweile gibt es auch in diesem Feld reichhaltige Variationen.

Von der Sichtbarmachung der Rolle von Satelliten in der Konstruktion lokaler und globaler Netzwerke, über die Konstruktion von Landschaft, die Machtverteilung und die Entscheidung über die technischen Entwicklungen selbst. Satellitentechnologie wird von KünstlerInnen dazu genutzt, individuelle Wege zu verfolgen, und Geschichten zu erzählen, die politische Aspekte sichtbar machen. Es ist kein Zufall, dass es Künstlerinnen sind, die Satellitentechnologie verwenden, um obskure geopolitische Verbindungen (Ursula Biemann) aufzudecken oder mit sogenannten Nicht-ExpertInnen über spielerische Zugänge sich der Satelliten zu ermächtigen (Joanna Griffin).

Die Abschottung und Abgeschiedenheit der technischen Entwicklungen von Satelliten kann repräsentativ für allgemeine politische Entwicklungen gesehen werden.

In einer Ausstellung, einer Konferenz und einer mehrteiligen Serie von Workshops arbeiten Personen aus sehr unterschiedlichen Bereichen kontinuierlich am Thema Satelliten. Ziel dieser Auseinandersetzung ist es, den Blick nach oben zu richten, sich darüber zu informieren und auszutauschen, wie diese Technologie funktioniert. Über dieses vertiefte Verständnis entsteht die Basis für eine intensive Weiterentwicklung und Arbeit an diesem Themenkomplex. Und das bildet die Ausgangssituation für neue künstlerische Produktion, und gleichzeitig für Reflexion politischen und gesellschaftlich relevanten Dimensionen.

Art of the Future

Graz hat mit dem Projekt mursat eine einzigartige Situation: ein Team von rund 25 Personen entwickelt und baut einen Nanosatelliten, der noch 2012 in den Orbit fliegen soll. Das Projekt wurde von mur.at initiiert, und die ESC im LABOR ist als Mitglied von mur.at aktiver Teil dieses Projektes.

Durch die Entwicklung un den Bau des mursat Satelliten seit Beginn 2009 hat sich eine Vielzahl an Verbindungen, Kontakten und sehr breit gefächertes Wissen und Verständnis angehäuft, das unter dem Titel  “Covered Skies” (“Bedeckte Himmel”) behandelt werden soll. Dabei geht es einerseits um den Austausch unter ExpertInnen verschiedener Bereiche untereinander als auch die Einbindung und Weitergabe dieses Wissens an das Publikum.

Mit der Kombination sehr verschiedener Formen der Auseinandersetzung bieten wir die unterschiedlichsten Zugangsmöglichkeiten an und erreichen damit ein sehr bunt gemischtes Publikum.

Gerade weil Satelliten ein so technisch besetzes Thema sind, bemühen wir uns in der Kombination diverser Praxisfelder um eine Interdisziplinarität, die sowohl den Einstieg ins Thema als auch eine Vertiefung vorhandenen Verständnisses ermöglicht.

Ziel ist die Teilhabe an einem Raum und den auf diesen bezogenen Praktiken und Techniken, die – in einer Fortsetzung kolonialzeitlicher Aneignungs- und Verteilungslogiken – den als 'mächtig' definierten und verstandenen Institutionen vorbehalten sind, doch ihnen vielmehr unhinterfragt überlassen werden – Stichwort: Mythos von der erfolgreichen Eroberung des Alls.

Dadurch, d.h. durch diese Teilhabe, sollen die Möglichkeiten eines ganz anderen, bisher ungewohnten und mehrdimensionalen Umgangs mit Satelliten, Weltraum und damit nicht zuletzt mit unseren politischen Handlungsspielräumen aufgezeigt und künstlerisch umgesetzt werden.

Es ist work in progress, eine Serie von Experimenten, ein Austesten und Durchspielen von und mit Möglichem nicht nur auf künstlerischer oder technischer, ebenso auf bürokratischer oder juridischer Ebene.

Bei der Auseinandersetzung mit Satelliten geht es nicht nur daum, die Willkür von Erfolgserzählungen aufzuzeigen, wie sie im Bezug auf Raumfahrt, Weltall und Satellitentechnologie so typisch sind und viel zu oft erzählt werden – und die sich gerade in ihrer permanenten Wiederholung als wahr generieren. Es gilt auch, die Bilder und Topoi zu hinterfragen, die den Mythos von der erfolgreichen Eroberung des Alls so glaubhaft machen und andere Sichtweisen, ja die schiere  Möglichkeit anderer Erfahrungen und Wahrnehmungen von Raumfahrt so stark verdecken. Sei es der lonesome Space-Cowboy in den unendlichen Weiten des Weltraums, die blaustrahlende Schönheit des Planeten Erde aus 200km von oben oder sei es, wie in jüngster Zeit, ein einzelner in der Dunkelheit hell schimmernder Satellit, der, seinem Namen alle Ehre machend, als Begleiter über der Erde schwebt und das Leben 'hier unten' besser und schöner macht – so sehr diese Bilder und Motive unserem kulturellen Gedächtnis mit dem Zwang der Wiederholung aufoktroyiert sind, so wenig sind sie zwangsläufig. Deutlich wird das, wenn man sie mit anderen Bildern konterkariert; Bildern von Weltraummüll und einer Unmenge von Satelliten, die die Erde bereits mit einer erschreckenden Dichte umkreisen; Bilder, die vielmehr Ausdruck von Machtkalkül, Überwachungstechniken und hegemonialer Ansprüche, denn der Schönheit unendlicher Weiten sind. Sie zeigen gleichsam die Kehrseite und sind als solche viel eher das zwangsläufige Produkt einer 'Eroberung des Weltalls' als die so häufig reproduzierte Lonely-Star-Ikonologie.

Allerdings wäre es äußerst kurzsichtig, wenn die Frage nach einem anderen Blick auf und in den Weltraum nur in der Produktion von Gegenbildern steckenbliebe. Statt eine Erfolgsgeschichte als verkapptes Scheitern zu entlarven, muss es darum gehen, die Möglichkeit von und die Freiheit zu anderen Bildern und Wegen der Bilderzeugung aufzuzeigen. Mitteilungen von (Welt)Raum, die in ihren Verfahren ebenso vielschichtig und -gesichtig sind wie in ihren Ergebnissen unbestimmt.

Das Projekt zur Teilhabe am Weltraum: als Strategie der Umdeutung und Neuformulierung, als Praktik eines Raum(er)fahrens jenseits von Eroberung und Besetzung ist es aufs engste mit Formen und Methoden des Teilens und Verteilens verknüpft. Es gilt, Fragen zu stellen, die sonst nicht gestellt werden.

Zur Eröffnung der Ausstellung gestaltet Interorbital Systems, die Entwicklerfirma des Nanosatelliten und der Trägerrakete, eine Präsentation über die Raketen- und Weltraumtechnologie, die dort zur Zeit entwickelt wird.