IN SEARCH OF LOST PARADISES

IN SEARCH OF UTOPIAS

Laufzeit: 

23/09/2017 bis 17/11/2017

Öffnungszeiten: 

23/09 - 15/10

Dienstag - Freitag

10.00 - 19.00 Uhr

Samstag & Sonntag

10.00 - 17.00 Uhr

17/10 - 17/11

Dienstag - Freitag

14.00 - 19.00 Uhr

und nach Vereinbarung

Eröffnung: 

Samstag, 23. September 2017 - 18:00

Termine: 

Video: 

© Concha Jerez, 2016

IN SEARCH OF LOST PARADISES

IN SEARCH OF UTOPIAS

Von Concha Jerez

Der französische Schriftsteller Marcel Proust verfasste in der Zeit von 1913 bis 1922, dem Jahr in dem er starb, die sieben Teile seines Romans À la recherche du temps perdu, der großen Einfluss auf die Philosophie und die Kunsttheorie des 20. Jahrhunderts hatte und der heute aktueller anmutet als zu der Zeit, in der er geschrieben wurde.

 

Ich habe mich in verschiedenen Arbeiten seit einiger Zeit – ohne es explizit auszudrücken – auf diese Suche nach der verlorenen Zeit (À la recherche du temps perdu) bezogen. Heute würde ich den Fokus allerdings eher auf eine Suche nach verlorenen Paradiesen (À la recherche des paradis perdus) oder auch auf eine Suche nach der Zeit der Utopien (À la recherche du temps de utopies) legen – als Mittel, einer erdrückenden, dem Diktat der Ökonomie unterworfenen Wirklichkeit zu entkommen, mit der die Mehrheit der Politiker*innen uns täglich in ihren medial übertragenen Reden überflutet.

 

Im europäischen Raum entstanden bereits mit der Veröffentlichung des von 1751 bis 1772 in Frankreich herausgegebenen Werks Encyclopédie ou Dictionnaire raisonné des sciences, des arts et des métiers und später im 19. und 20. Jahrhundert zentrale Utopien, die zunächst dazu führten, dass sich im Zuge eines Wandels bzw. durch die Verbesserung der sozialen Lage die negative Seite einer Realität, wie sie vom Großteil der Menschheit gelebt wurde, zu ändern schien.

 

Im Laufe der Zeit wurden viele dieser Utopien jedoch um ihre anfänglichen Prämissen betrogen, sei es durch deren Umdeutung oder durch die Interpretation einzelner Interessensverbände, die diese Utopien zunichtemachten, indem sie die von ihnen propagierten Ideale und Güter für ihre eigenen Zwecke instrumentalisierten, obwohl das Ziel dieser Utopien eigentlich in Verbesserungen für die Mehrheit der Gesellschaft bestand. Dieses Scheitern der Utopien, so wissen wir heute, geschah nicht zufällig, sondern willentlich und nach Plan.

 

Bereits 1993, als ich im Rahmen des Projektes In Control. mensch - interface - maschine das erste Mal in Graz gearbeitet habe, schrieb ich im Einleitungstext zu meiner Installation INTERFERENCE LANDSCAPES: „In unserem Zeitalter der Macht von Information gibt es nur spärliche Möglichkeiten, als unabhängige menschliche Wesen zu überleben. Eine Überlebensstrategie des Individuums kann der Rückzug auf sich »selbst« sein. Das Individuum kann aber ebenso gut mit der Außenwelt in Beziehung treten, indem es Eingriffe (Interventionen) oder Störungen (Interferenzen) vornimmt." Obwohl ich in meiner Arbeit immer versucht habe, beide Positionen miteinander zu verbinden, denke ich zur Zeit, dass, auch wenn das Erstere weiterhin wichtig bleibt für kreative Aktivität, die Entwicklung des Zweiteren lebenswichtig für die Bewusstseinsbildung und Handlungsfähigkeit der Gesellschaft selbst ist, besonders in Hinblick auf neue Totalitarismen, hervorgerufen und manipuliert durch die großen Informations-Konzerne (Multinationale).”

 

Beschreibung der Installation:

Das Gänsespiel – in seiner Funktion als Wissensspiel – dient als konzeptuelle und gestalterische Hauptachse der Installlation sowie als Instrumentarium für eine Suche nach Wissen. Wichtig für die Symbolik der Gans ist die Verbindung mit dem Jakobsweg, der auch Camino de las Estrellas (Sternenweg) und Camino de las Ocas (Gänseweg) genannt wurde. Auf dem Jakobsplatz gibt es ein großes Bodenmosaik, das die Felder des Gänsespiels den Stationen des Jakobswegs zuordnet. Die Wildgänse, deren Zugroute entlang des Jakobswegs führte, wurden zu einem Symbol der göttlichen Weisheit. Das Gänsespiel wurde auswendig gelernt und eingeübt, und wurde so zu einem Wegweiser für die Spielenden. Das Zielfeld des Spiels, der sogenannte „Gänsegarten“, kann als Vision des Paradieses verstanden werden. In der Installation dient das Gänsespiel als Wegweiser für unsere eigenen Vorstellungen vom Paradies. Am Boden des Ausstellungsraumes wird ein Spielplan bestehend aus viereckigen Spielfeldern nachgezeichnet. Vierzehn Spielfelder werden durch die Rauminszenierung hervorgehoben: jeweils ein mit einer transparenten Folie bedeckter Notenständer, eine LED-Leuchtstoffröhre, sowie ein Lautsprecher. Die transparente Folie wird von der Künstlerin per Hand mit verlorenen Paradiesen versehen. In der Mitte des Raumes werden zwei Videos projiziert. Die acht Säulen des esc mkl werden mit Acrylspiegelflächen verkleidet, sodass ein Mosaik aus Reflektionen entsteht. Die Lautsprecher der Module geben sechzig Aufnahmen von verlorenen Paradiesen in vierzehn Sprachen wieder, je Lautsprecher eine andere Sprache. In Referenz auf John Cages Stück 4’33” und Concha Jerez’ Installation 155 h. 4’33” aus dem Jahr 2010 dauern die Audioaufnahmen ebenfalls 4’33”. Sie sind in den jeweiligen Sprachen noch weiter unterteilt in Zeitintervalle mit 1’33”, 2’33” und 3’33”. Diese Zeitangaben dienen als Taktgeber und als Verortung der Stimmen in der Zeit. Es entsteht im Raum ein “Raunen” über verlorene Paradiese. Die einzelnen Paradiese in den verschiedenen Sprachen konkretisieren sich in der Nähe der Module. Das im Zentrum des Gänsespiels gezeigte Video wird von zwei gegenüberliegenden Positionen projeziert. Es besteht aus für die Installation überarbeiteten Bildern von Werken, die Concha Jerez seit 1993 in Graz realisiert hat, kombiniert mit Ausschnitten aus einem Video, das Jerez’ bei Spaziergängen durch Graz auf der Suche nach Erinnerungen zu ihren verschiedenen Projekten, aufgenommen hat.

 

Die von Concha Jerez ausgewählten Paradiese hören Sie in 14 verschiedenen Sprachen, übersetzt und gesprochen von folgenden Personen:

Concha Jerez & Jose Iges - spanisch

Reni & Jogi Hofmüller – deutsch

Kate Howlett Jones & Adam McCartney – englisch

Tünde Primus-Kövendi – ungarisch

Daniela Brasil – portugiesisch

Aurélie Zouaoui – französich

David Pirrò & Davide Gagliardi – italienisch

Severin Hirsch – slowenisch

Marián Potočár & barb huber – slowakisch

Cihan Çoşkun – türkisch

Cihan Çoşkun – kurdisch

Maryam Mohammadi – farsi

Ada Kobusiewicz – polnisch

Mazen Chama – arabisch

 

Biographische Angaben:

 

Concha Jerez (ES) ist eine international renommierte Pionierin der Intermedia-Kunst, die mit ihrem Werk und ihrer Forschungsarbeit den Übergang von den analogen zu den digitalen Technologien in der Kunstproduktion maßgeblich mitgestaltet hat.

Concha Jerez wurde 1941 auf Las Palmas de Gran Canaria geboren, ist in Afrika aufgewachsen und lebt seit 1955 in Madrid. Die Künstlerin beschäftigt sich seit 1970 mit Intermedia-Kunst, seit 1976 fokussiert sie sich dabei auf das Konzept der Installation und site specificity. Von Collage, Montage, Assemblage, Fotografie, Zeichung, Installation, Video, Aktion und Performance hat Jerez bis heute eine Vielzahl von künstlerischen Tätigkeitsfeldern durchschritten und werkhaft verbunden. Jerez organisierte von 1986 bis 1988 für junge Künstler*innen Workshops am “Instituto de la Juventud”. In einer Zusammenarbeit mit dem spanischen Bildungsministerium wurden von 1985 bis 1990 weitere Seminare und Workshops von der Künstlerin entwickelt. Seit 1989 arbeitet Jerez mit José Iges zusammen. Mit ihm hat sie seitdem zahlreiche Klanginstallationen und -performances sowie Radiostücke konzipiert. Zwischen 1991 und 2011 war sie Professorin der Fakultät für bildende Künste an der Universität von Salamanca.

Concha Jerez versteht sich als Theoretikerin, Komponistin, Autorin, Fotografin, Klangkünstlerin

2011 erhielt sie vom spanischen Kulturministerium die “Medalla de Oro al Mérito en las Bellas Artes”. 2012 wurde sie von der “Association MAV” (Mujeres en las Artes Visuales) mit dem Preis für bildende Künste ausgezeichnet. 2015 wurde Concha Jerez der Nationalpreis für bildende Künste (Premio Nacional de Artes Plásticas) verliehen.

Vertreten in u.a. folgenden Museen mit permanenten Installationen: ZKM Karlsruhe, Museum für moderne Kunst Nörkoping, Staatsgalerie Stuttgart, Museum Wiesbaden, Museo Vostell de Malpartida, ARTIUM, Museo de Bellas Artes de Santander, Museum Jovellanos (Gijón), und Museo de Villafamés Vertreten in u.a. folgenden Sammlungen: Fundació Caixa de Pensions of Barcelona, Comunidad de Madrid, Brigitte March (Stuttgart), Schüppenhauer (Köln)

Website der Künstlerin:

http://conchajerez.net/

 

Koproduktion/Kooperation mit:

steirischer herbst 2017

kunst@werk

Ö1 Kunstradio, Radio Helsinki

ORF Lange Nacht der Museen 2017

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© esc mkl, Foto: Maryam Mohammadi (Agnes Wiesbauer-Lenz, Ilse Weber, Concha Jerez, Reni Hofmüller)