Persuasion Lab: Counterpublics
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Counterpublics untersucht und reagiert auf die Bedingungen, unter denen Werbung in sozialen Medien funktioniert: Intimes Wissen über Individuen und Gruppen wird instrumentalisiert, um „Neigungen“ jedes Einzelnen zu finden und (aus) zu nutzen. Obwohl soziale Medien von privaten Unternehmen betrieben werden, erscheinen sie vielen als gemeinnütziger, öffentlicher Raum. Doch das Nutzungsverhalten wird analysiert, um personalisierte Werbeinfrastrukturen aufzubauen und/oder Informationen gezielt zu verbreiten, wodurch die (illusorische) Hoffnung, dass sich durch Soziale Medien neue demokratische, öffentliche Räume erschliessen, in weite Ferne rückt.
Im Rahmen des Projekts Counterpublics sammeln und „befreien“ wir Daten von Facebook, die für politische Werbung genutzt werden. Diese Daten, die im .json-Format heruntergeladen werden können, geben unter anderem Aufschluss darüber, wie viel Geld in welche Kampagnen fließt, nach welchen Zeitplänen Anzeigen veröffentlicht werden, welche Text- und Bildinhalte benutzt werden und nach welchen regionalen und demografischen Schlüsseln die Verbreitung erfolgt. Die Offenlegung dieser Datensätze ermöglicht einen Perspektivenwechsel, der uns erlaubt, über den uns angepassten Informationsraum (Newsfeeds) hinauszublicken. Funktionsweisen und Strategien können nachvollzogen werden.
Durch die Möglichkeit der Konzerne auf die Daten von Milliarden von BenutzerInnen zuzugreifen und die damit verbundene Macht zur Nutzung im eigenen Interesse, wird eine Kontrolle und Regelung immer wichtiger. Eine Voraussetzung dafür, ist, die Mechanismen hinter den digitalen Informationsflüssen zu verstehen.
Counterpublics macht Anzeigen – zur Wahlkampagnen, zur Klimakrise und aktuell zu COVID-19 - sichtbar, die immer nur auf einen Teil der Zielgruppe maßgeschneidert sind und deren Interessen und/Forderungen bedienen. Erst der Vergleich der unterschiedlichen Anzeigen ermöglicht das Erkennen von Strategien.
Die Infrastruktur, die die Anzeigen sammelt und analysiert, wird auf den Servern der Netzkulturinitiative mur.at gehostet. Die Daten sind unter der Webadresse https://counterpublics.mur.at zugänglich.
Counterpublics stellt Grundbegriffe in der Debatte rund um Social-Media-Werbung zur Diskussion: Besteht die Wirkung einer Anzeige aus ihrem visuellen Inhalt und/oder aus ihrer Verbreitungsstrategie? Wenn der visuelle Inhalt einer bestimmten Anzeige zu unterschiedlichen Zeiten auf zehn Bildschirmen zu sehen ist, jeweils optimiert für die verschiedenen Geräte und die zeitlichen und örtlichen Nutzungsmuster, handelt es sich dann immer noch um eine einzelne Anzeige oder sind es letztlich mehrere Anzeigen? Wer zieht aus der fragwürdigen Unterscheidung zwischen „politischen“ und „nicht-politischen“ Anzeigen Profit? Ohne ein Bewusstsein dafür, dass soziale Beziehungen und politische Prozesse sich bedingen (Vgl. Donna Haraway: soziale Beziehungen sind „die wichtigste politische Konstruktion“ und eine „weltverändernde Fiktion“), sprechen wir Social-Media-Plattformen mittels unserer BenutzerInnenprofile eine enorme Macht zu und werden dadurch zu Cyborgs mit begrenzten Handlungsmöglichkeiten.
[Persuasion Lab 2.0]