What remains

Strategies of Saving and Deleting

Laufzeit: 

26/09/2015 bis 27/11/2015

Öffnungszeiten: 

27.9. - 18.10.2015, Dienstag - Sonntag, 12.00 Uhr – 19.00 Uhr

20.10. - 27.11.2015: Dienstag – Freitag 14.00 – 19.00 Uhr

und nach Vereinbarung

Eröffnung: 

Samstag, 26. September 2015 - 12:00

Installationen: 

Video: 

hard drive, detail, Fränk Zimmer

Tag für Tag, Minute um Minute produzieren wir eine unglaubliche Flut an digitalen Informationen, die wir teilen, übermitteln, vervielfältigen und speichern. 

Mit den technischen Möglichkeiten steigt zudem die produzierte Datenmenge exponentiell: genügte früher ein einzelnes Foto, werden jetzt Bilderalben hochgeladen. Reichten vor noch nicht allzu langer Zeit einige Megabytes, ist nun das Terabyte eine gängige Speichergröße. Noch nie in der Geschichte hat die Menschheit eine derartige Dichte von Daten produziert und scheinbar die Frage nach deren Sinnhaftigkeit völlig ausgeklammert – abgelegt in Speichermedien, die diese weder zur Gänze noch über einen längeren Zeitraum zu archivieren im Stande sind.

 

Wir sammeln Daten – zumindest denken wir das. Sammeln jedoch heißt auswählen. Jeder guten Sammlung liegt ein konsequenter und konzentrierter Auswahlprozess zugrunde, dessen Kriterien unterschiedlich sein können: historische, ökonomische, fachliche oder ganz einfach persönliche Motive. Sie ermöglichen es uns, aus dem Treibgut der Geschichte die für uns relevanten Objekte und Informationen, also jene, die einen Wert haben, herauszufiltern, um sie dem Vergessen zu entreißen. Einem einzigen bewahrenswerten (Arte-)Fakt stehen viele gegenüber, die verworfen werden müssen – diese Auswahl ist eine wichtige Kulturleistung. Fehlt sie, verlieren wir die Fähigkeit zu sammeln und beginnen anzuhäufen.

 

Das selektive Sammeln von Objekten, Informationen, Erinnerungen und Fakten bildet das Substrat, das die menschliche Entwicklung überhaupt erst möglich macht. Während natürliche Evolution nach vom Menschen nur peripher zu beeinflussenden Prinzipien abläuft, bedarf die Weiterentwicklung von Kultur der betrachtenden und reflexiven Verarbeitung dieser Daten. Die Problematiken, Risiken und Nebenwirkungen eines solchen Prozesses sind bekannt. Auswahlkriterien sind subjektiv und von tendenziösen Absichten geprägt. Ereignisse werden einerseits vernachlässigt oder unter den Tisch gekehrt, andererseits über Gebühr hervorgehoben. Um verantwortungsbewusst handeln zu können, bedarf es der Entscheidungsfähigkeit. Entscheiden heißt auswählen – auswählen heißt sammeln.

 

Die global agierenden Konzerne und Geheimdienste haben sehr wohl gelernt zu sammeln. Die Algorithmen und Programme, die von uns produzierte Daten abgleichen, filtern, zueinander in Beziehung setzen und auswerten, sind ausgeklügelt und präzise. So ist es mittlerweile kein Problem, anhand der hinterlassenen Spuren exakte Profile von Personen anzulegen, die sich in digital vernetzen Systemen bewegen - und das tun wir praktisch alle, egal ob wir telefonieren oder online eine Fahrkarte bestellen. Der Handel mit diesen Daten ist lukrativ und gemeinsam mit dem Gewinn aus der Verwertung dieser Informationen ein Milliardengeschäft.

 

Parallel dazu verläuft die völlig unreflektierte Anhäufung von Daten in den Social Networks, auf Twitter, Youtube, Flickr oder verwandten Plattformen. Persönliche Informationen werden bereitwillig eingespeist und durch Likes und Shares endlos multipliziert. Ihr einziger Parameter scheint ihre Quantität zu sein, denn durch sie erhöht sich die eigene Vernetzungsdichte, sprich Relevanz.

 

Dem gegenüber steht die Tatsache, dass es faktisch unmöglich geworden ist, eine einmal in diese globale Erinnerungsmaschine eingespeicherte Information zu löschen, selbst wenn diese unabsichtlich dorthin gelangte, nicht mehr von Belang ist oder ganz bewusst zum Schaden einer Person ins Netz gestellt wurde.

Die Praktikabilität von geräteunabhängigen Ablagesystemen mit ihren Synchronisationsmöglichkeiten – metaphernstark als Cloud scheinbar der Schwerkraft enthoben – lässt vergessen, dass Daten ein Eigenleben entwickeln, sobald sie in ein vernetztes System gelangen. Und was nicht vorher durch Hacks zutage gefördert worden ist, wird als unauslöschbarer Datenmüll auf unserer ausrangierten Hardware so lange rekonstruierbar bleiben, bis diese physikalisch völlig zerstört ist.

 

Was aber ist eigentlich erhaltenswert an der Flut unserer Informationen was wollen wir sichern und dadurch retten und bewahren? Und wie ist es möglich, Informationen, die wir nicht mehr brauchen (wollen), endgültig zu löschen?

Zwischen diesen beiden großen Fragebögen spannt sich unter dem Titel „What Remains“ das Feld auf, das sich mit dem Verlust und der (möglichen) Fortschreibung unserer aktuellen Geschichte beschäftigt. In einer Koproduktion von esc medien kunst labor, kunst@werk und steirischer herbst fragen KünstlerInnen nach der Überlieferung und der Weitergabe von Wissen bzw. Erkenntnis und reflektieren so die Möglichkeiten sowohl der (technischen) Medien, die als deren Speicher fungieren, als auch die zugrundeliegenden politischen, sozialen und ökonomischen Interessen, die sie beeinflussen. 

Michaela Lakova "Cold Storage", © esc medien kunst laborMichaela Lakova "Cold Storage", © esc medien kunst laborLa Société Anonyme "The SKOR Codex", © esc medien kunst laborFränk Zimmer "information/storage.refresh", © esc medien kunst laborKairUs "Let’s talk Business", © esc medien kunst labor
Marloes de Valk und Michaela Lakova, © esc medien kunst laborMichaela Lakova "Estimated Time to Recovery", © esc medien kunst laborKairUs - Andreas Zingele und Linda Kronman, © esc medien kunst laborBesucherInnen bei "information/storage.refresh", © esc medien kunst laborLa Société Anonyme "The SKOR Codex", © esc medien kunst labor
Fränk Zimmer "information/storage.refresh", © esc medien kunst labor

Kooperationen/Koproduktionen: 

What remains ist eine Koproduktion von esc medien kunst labor mit kunst@werk und steirischer herbst.

 

Support:

Jogi Hofmüller, Christian Pointner

FH Joanneum, mur.at, Radio Helsinki, servus.at

Supported by CBK Rotterdam (Centre for Visual Arts Rotterdam) 

 

esc medien kunst labor wird gefördert von:

Kulturamt der Stadt Graz, Kulturreferat des Landes Steiermark, BKA Kunst