HOUNDED
Laufzeit:
Öffnungszeiten:
Dienstag – Freitag
14.00 – 19.00 Uhr
und nach Vereinbarung
Eröffnung:
Termine:
HOUNDED
„Der Mensch ist das Tier, das sich als Mensch erkennen muss, um Mensch zu sein."
[Carolus Linnaeus]
In der Ausstellung HOUNDED lotet Johanna Arco mit den Arbeiten Ferine, 18.11 und Bankett die Beziehung des Menschen zu seiner wilden als auch gezähmten Umgebung aus und tastet sich an dessen existenzielle Grenzen heran. Auf der Suche nach einem tieferen Verständnis für kulturelle Strukturen richtet sie ein Vergrößerungsglas auf komplexe Beziehungsgeflechte wie die zwischen Mensch und Tier, Materialität und Immaterialität oder zwischen konkreter Materie und Identität bzw. Erinnerung.
Ferine
Flora und Fauna der österreichischen Wälder sind stark von der Präsenz der Menschen geprägt. Tiere und Menschen existieren nebeneinander und haben folglich bestimmte Verhaltensregeln einzuhalten.
Auf performative Art und Weise versucht Ferine diese Regeln und Strukturen, die Mensch und Tier streng voneinander trennen, spielerisch zu beobachten und in Frage zu stellen. Gefolgt vom Blick einer Drohne läuft eine Frau durch den Wald und bricht dabei aus den menschlichen Verhaltensgrundsätzen aus. Versucht die Protagonistin sich der Gruppe der wilden Hirsche anzuschließen, verfolgt sie die Herde oder wird sie gar selbst verfolgt? Diese Fragestellungen werden durch den Klang des lokalen Radios verstärkt, der die menschlichen Erwartungen bei der Suche nach „Wildnis” hervorhebt.
[Ferine: wild, ungezähmt, abgeleitet vom Lateinischen "ferinus" - zu wilden Tieren gehörend]
18.11
Mythen und Geschichten prägen seit Anbeginn der Menschheit die Realität mit. Die Geschichten, die wir uns erzählen, bilden den Kontext, durch den wir das Leben erfahren. Sie definieren, wie wir uns selbst wahrnehmen und wie wir mit unserer Umgebung in Beziehung treten. Mit anderen Worten: Mythen bilden das Fundament der „kulturellen Halluzination“ der Menschheit; sie bilden die Art und Weise, wie wir die Welt und unseren Platz darin erfahren. Diese Halluzinationen geben dem Individuum den Eindruck, in einer parallelen Realität zu leben, in der wir von allen anderen Wesen getrennt sind.
Die Videoarbeit 18.11 beschäftigt sich mit dem subjektiven Gefühl der Isolation, das durch scheinbar unkontrollierbare Gedankenprozesse hervorgerufen wird. Das Video visualisiert mentale Projektionen, die das Bewusstsein erfassen und in eine „Realität" mitreißen, in der die tatsächliche physische Umgebung eine verzerrte und untergeordnete Rolle spielt. Die Bewegung und Geschwindigkeit der Protagonistin ignorieren jegliche körperliche Vorgaben der künstlichen Landschaften, durch die sie sich navigiert.
Bankett
Bankett ist von einer Passage aus Giorgio Angambens Buch „The Open” inspiriert, die eine Miniatur einer hebräischen Bibel aus dem 13. Jahrhundert beschreibt. Die Szene repräsentiert das messianische Bankett der Gerechten nach dem Eintreffen des Messias. Der Miniaturist stellt die an dem Bankett sitzenden bekrönten Wesen nicht mit menschlichen Gesichtern, sondern mit Tierköpfen dar. Der Philosoph stellt sich die Frage, wieso die Vertreter der erlösten Menschheit mit Tierköpfen dargestellt werden. Er schließt die Möglichkeit nicht aus, dass in der Vorstellung der Endzeit die Beziehungen zwischen Tieren und Menschen neue Formen annehmen werden und sich die Menschheit selbst mit ihrer tierischen Natur versöhnt.
Um an dem besagten Tag nicht als Fremde mit den Tieren an dem Bankett zusammenzutreffen, offeriert Johanna Arco dem Wild ein Mahl, das aus ihren eigens mitgebrachten Nahrungsmitteln besteht. Die Gabe ist in einer Fütterung platziert – ein Ort, der sowohl von den Tieren als auch von den Menschen als eine Schnittstelle akzeptiert wird. Die Reaktion der anfangs misstrauischen Tiere wird mittels Kameras, die um die Futterkrippen angebracht sind, festgehalten.
In ihrer Forschung verbindet und vergleicht Johanna Arco die Menschheit mit anderen nichtmenschlichen Wesen, wobei sie sich sowohl auf symbolische Ähnlichkeiten sowie Unterschiede konzentriert. Um die Grenzen des „Menschseins” zu hinterfragen, ist der Umgang mit Tieren zu einem zentralen Element ihrer Forschung geworden. Die Verbindung der Menschen mit dem wilden, dem gezähmten und dem domestizierten Tier zeigt, wie sich die Menschheit in das ontologische Zentrum der Welt gestellt hat. In unserer Beziehung zum Tier zeigt sich die menschliche Illusion der eigenen Überlegenheit.
Carolus Linnaeus, der Begründer der modernen Taxonomie, war davon überzeugt, dass das herausragendste Merkmal der Menschheit ist, dass der Mensch Mensch ist, einfach weil er sich selbst als einer ernennt. “Der Mensch ist das Tier, das sich als Mensch erkennen muss, um Mensch zu sein.” Er muss über das Tier erhoben werden, um Mensch zu werden. Der einfache Wunsch, uns gegen den Rest der Welt zu definieren, ist der größte Unterschied zu allen anderen Wesen. Durch performative Gesten und Experimente werden Distanz und Nähe zu Tieren neu überdacht und verschoben, wodurch die Menschheit manchmal näher und manchmal weiter zu ihren Nachbararten platziert wird.
Neben Lebewesen thematisiert die künstlerische Praxis von Johanna Arco auch die Haltung der Menschheit gegenüber anorganischer Materie. Die Trennung der Welt in tote und lebende Dinge zeigt einmal mehr wie die Menschheit ihre Einzigartigkeit feiert, während sie sich der Fantasie hingibt, verantwortlich für alle anderen Wesen, Objekte und Gegenstände zu sein. Eingebettet in die menschliche Kultur werden Objekte als Gefäße für individuelle Erfahrungen, Wünsche und Stimmungen wahrgenommen.
In künstlerischen Experimenten verwendet Johanna Arco Objekte, um ein tieferes Verständnis für die kulturellen Strukturen zu bekommen, in denen sie sich befinden. Dabei konzentriert sie sich auf die sogenannte „tote” Materie als aktives Wesen mit eigenen Tendenzen und der Fähigkeit in einen Dialog zu treten. Aus menschlicher Sicht sind Objekte Dinge, mit denen wir uns umgeben, um die eigene Innenwelt auszudrücken. Objekte stärken und repräsentieren unser Sein als menschliche Individuen. Sie agieren als heimlicher Protest gegen die Natur; als eine Form, die sich gegen das Aussterben aller Formen durch den Tod wehrt. Die Produktion und Sammlung von Objekten ist eine Bestätigung des Lebens, ein Instrument für Vitalität. Wir sammeln Formen um uns herum, aufgrund ihrer Funktionalität oder um uns abzulenken, aber letztendlich fungieren Objekte als Bejahung des Lebens.