Promenade. Anekdote, Alltag, Abbild

Installation, Symposium, Performances & Art’s Birthday 2018 zu Gast im esc medien kunst labor

Laufzeit: 

24/11/2017 bis 17/01/2018

Öffnungszeiten: 

24.11. - 15.12.2017:

Dienstag - Freitag

14.00 - 19.00 Uhr

und nach Vereinbarung

16.12.2017 - 17.01.2018:

"Winterschlaf" - Phase

Eröffnung: 

Donnerstag, 23. November 2017 - 19:00

Termine: 

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Promenade. Anekdote, Alltag, Abbild bezieht sich auf verschiedene künstlerische und wissenschaftliche Themenfelder: Installation und Environment, Klang im Raum und Anekdotische Musik, die Spaziergangswissenschaft als Instrument der alltäglichen Umgebungswahrnehmung und Theorien der narrativen Identitätskonstruktion.

Im Raum befinden sich Klangskulpturen, die wie Bilder aussehen, aber nur leere Flächen zeigen. Sie geben aufgenommene Alltagssituationen wieder, die beim Spazieren im Raum beeinflusst werden. Durch Hören und Bewegung werden die Bilder dennoch zum Gegenüber; sie können "betreten" und "verlassen" werden und kommen assoziativ miteinander in Berührung. Sie erzählen nicht eine Geschichte, sondern bilden ein Vexierspiel aus Versatzstücken, die auch in ihrem Herkunftskontext nicht mehr miteinander zu tun hatten als in der Installation: Bruchstücke unserer Abbilder von Realität, Ausgangspunkte für die Konstruktion von Zusammenhängen, Kausalitäten, Indizien.

 

Inhaltlicher Ausgangspunkt für Promenade. Anekdote, Alltag, Abbild ist die theoretische Auseinandersetzung mit immersiven Medienumgebungen in meiner Dissertation Binaural – Das andere Stereo. Ästhetik und Technik auditiv vermittelter Räume sowie in anderen Publikationen.1 Damit eng verbunden ist künstlerische Forschung, insbesondere mit den Klanginstallationen Parisflâneur und Alltagsstimmen Judenburg. Im geplanten Projekt Promenade greife ich Aspekte meiner bisherigen Forschung auf, um sie in neuen transdisziplinären Zusammenhängen weiterzuentwickeln. Dazu gehören vor allem die Rekontextualisierung von Alltagsfragmenten und die ästhetische Erfahrung medien-vermittelter Räume. Die anekdotische Musik (musique anecdotique), wie sie von Luc Ferrari vertreten wurde, arbeitet im Unterschied zur musique concrète gezielt mit den Assoziationen der Zuhörer. Ferraris Zugang zu Feldaufnahmen verfolgt einen egalitären Anspruch an Komposition und Rezeption.2 So prägte er den Begriff des diapositive sonore, des »Klangdias«. Gemeint sind alltägliche Tonaufnahmen, die jeder wie Urlaubsbilder aufnehmen könne und solle. Die Promenadologie, »Spaziergangswissenschaft«, wurde von Lucius Burckhardt seit den 1980er Jahren entwickelt.3 »Sie gründet sich auf die These, dass die Umwelt nicht wahrnehmbar sei, und wenn doch, dann aufgrund von Bild-vorstellungen, die sich im Kopf des Beobachters bilden und schon gebildet haben. [. . . ] Die Wahrnehmung beruht auf dem kinematografischen Effekt des Spazierengehens« (Lucius Burckhardt). »Spaziergangswissenschaftler interessieren weniger die schönen Aussichten als vielmehr Sichtweisen und das Beziehungsgeflecht, das Müßiggänger mit ihrer Umwelt verbindet« (Martin Schmitz). In der politischen Dimension des »Nebenfachs«, wie Burckhardt es nannte, sind Anklänge an die Situationistische Internationale unverkennbar, in seiner Methodik Referenzen an frühere Berufsflaneure: Henry David Thoreau, Robert Walser, Franz Hessel, Walter Benjamin. Die Verwertung von wahrgenommenen Versatzstücken des Alltags, ihre konstruktivistische Indienstnahme zur Sinngebung, ist Gegenstand der narrativen Psychologie.4 Theorien der narrativen Identität beschäftigen sich damit, wie Selbstkonstruktion auf der Grundlage erzählter Geschichten erfolgt, die beständig im sozialen Gefüge ausgehandelt und an die Umgebung angepasst werden. Persönlichkeit ist, was für andere als Geschichten greifbar ist, also verstanden und anerkannt wird.

 

Während des Winterschlafs wird die Ausstellung nicht im Innenraum der esc zugänglich sein, sondern kann von außen durch die umlaufende Fensterfront gehört werden. In dieser Zeit wird die Installation in einen Modus versetzt, in dem sie sich selbst betrachtet, also immer wieder von Bild zu Bild flaniert, sie betritt und wieder verlässt.

 

Promenade. Anekdote, Alltag, Abbild ist eine Produktion vom esc medien kunst labor und wird als Wissenstransferprojekt gefördert vom Vizerektorat für Forschung der Kunstuniversität Graz und dem Kulturamt der Stadt Graz.  Das Projekt wird in Kooperation mit dem Institut für Elektronische Musik und Akustik durchgeführt.

 

 

Text von Martin Rumori

 

1 Martin Rumori/Georgios Marentakis: Parisflâneur. Artistic Approaches to Binaural Technology and Their Evaluation, in: Presence 26.2 (2017), im Druck; Martin Rumori: Space and Body in Sound Art: Artistic Explorations in Binaural Audio Augmented Environments, in: Clemens Wöllner (Hrsg.): Body, Sound and Space in Music and Beyond: Multimodal Explorations (sempre:), London 2017, S. 235–256; ders.: Konstruierte Räume – ästhetische Implikationen von Verfahren und Werkzeugen der Binauraltechnik, in: Proceedings of 29th VDT International Convention, Köln 2016, S. 210–216; ders.: Figuration Flaneur, in: What Can a Body Do? – Praktiken und Figurationen des Körpers in den Kulturwissenschaften, hrsg. v. Netzwerk Körper, Frankfurt a. M. / New York 2012, S. 67–73; ders.: Hören! Haltung! Körper und Klangkunst, in: kunsttexte.de, Auditive Perspektiven 2011.4 (2011), url: http://www.kunsttexte. de/index.php?id=711&idartikel=38900&ausgabe=38844&zu=907&L=0 (besucht am 30. 05. 2017); Ute Holl/Martin Rumori: Parisflâneur. Spaziergänge in binauralen Hörräumen, in: Zeitschrift für Medienwissenschaft 2009, Motive, S. 115–122

2 Hansjörg Pauli: Für wen komponieren Sie eigentlich? Hans Werner Henze, Luc Ferrari, Mauricio Kagel, Luigi Nono, Dieter Schnebel, Jacques Wildenberger, Frankfurt 1971

3 Lucius Burckhardt: Warum ist Landschaft schön? Die Spaziergangswissenschaft, hrsg. v. Markus Ritter/ Martin Schmitz, Berlin 2006

4 Wolfgang Kraus: Das erzählte Selbst. Die narrative Konstruktion von Identität in der Spätmoderne (Münchner Studien zur Kultur- und Sozialpsycho-logie), München 1996

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