The AI Prostheses

7 Configurations
The AI Prostheses von Marco Donnarumma, Ausstellungsansicht

Aus verschiedenen Materialien wie Nylon, Wachs oder Fiberglas entwickelt die Künstlerin Rajcevic plastische Objekte, die sie wie eine Art „fashion cyborg“ in inszenierten Fotografien vorführt. Zwischen den Kunstgattungen Plastik, Performance und Fotografie tätig, generiert die Künstlerin an den Schnittstellen von Kunst und Design mystische Szenerien, die das Verständnis von Menschlichkeit in Frage stellen. Der Körper ist dabei zentral im Mittelpunkt der künstlerischen Auseinandersetzung. Aus Harz, Silizium und Kautschuk entwirft die Künstlerin tragbare, plastische Objekte, die in Performances mit dem menschlichen Körper verschmelzen und hybride Wesen hervorbringen. In seinen Objekten, Performances und Installationen befasst sich der Künstler Donnarumma mit den Themen Ritual, Macht und Technologie. Seine Arbeiten entfalten sich an den Grenzlinien zwischen Körper, Politik und Technologie und verbinden Sound, Datenanalyse und Biotechnologie in aufwendigen, kollaborativen Projekten. In den Werken des Künstlers korrelieren die Kunstgattungen New Media Art und Performance Art miteinander und ergeben in Verbindung mit Computermusik poetische Sequenzen inszenierter Wirklichkeiten.

In zahlreichen Performances und Projekten haben Rajcevic und Donnarumma ihre künstlerischen Praxen miteinander verbunden. Als zentrale Aspekte jener Zusammenarbeit treten in den Performances und Installationen mit Objekten die künstlerische Auseinandersetzung mit Körperlichkeit, Verkörperung, Fleischlichkeit und Körpermodifikation mittels Prothesen in Erscheinung. Ihre gemeinsamen Werke sind entscheidend markiert von einem spezifischen performativen Potential, in dem Sinne, dass die Installation im Ausstellungsraum erst hervorbringt, was sie bezeichnet. So auch bei der im esc medien kunst labor installierten Serie The AI Prostheses.

Der hier präsentierten Werkserie geht ein „work in progress“ (2016-2019) voraus: Amygdala. Seit 2016 arbeiteten Rajcevic und Donnarumma mit Alberto de Campo (Universität der Künste Berlin), Wissenschaftler:innen und Entwickler:innen vom „Neurowissenschaftlichen Forschungslabor“ in Berlin und dem Forschungslabor „Baltan“ (Niederlande) zusammen um eine künstlich intelligente Prothese zu entwickeln. In Zusammenarbeit mit dem Entwickler Christian Schmidt wurden die Objekte zunächst von Rajcevic auf der Basis von Skizzen von Donnarumma plastisch modelliert, dann in 3D-Software übersetzt, mit 3D-Druck gefertigt und durch weitere Elemente von den Künstler:innen ergänzt. Manche Objekte wurden dabei von bakteriellen Strukturen bewandert, die die Künstlerin Margherita Pevere kultivierte. Bestehend aus Haut, Haar, Wachs, FPGA Computerbildschirm, PLA 3D-Druck, Servomotoren, benutzerdefinierter KI-Software (adaptive neuronale Netzwerke) und Aluminium wurde Amygdala MK2 ursprünglich entwickelt, um in einer repetitiv konzipierten Performance die menschliche Haut zu bearbeiten. Die robotische Körpermodifikation wurde mit der Kulturtechnik der Skarifizierung verbunden. Der „Biss des Krokodils“ (eine Skarifizierungstechnik aus Papua-Neuguinea stammend, wo in einem Initiationsritual mit einem Messer Narben in die Haut geschnitten werden) als kulturelle Praktik, wird zur Technik eines „fashion bots“, der sich in die Haut seines Models einschreiben will. Die rituelle Geste der „Skarifizierung“ wurde zur künstlerischen Geste eines Roboters. Die von der KI gesteuerten Bewegungen ergaben dabei immer wieder neue Muster und Formen. Über einen Zeitraum von drei Jahren und durch zahlreiche Iterationen wurde Amygdala fertiggestellt, woraufhin weitere Prothesen für andere Performances entwickelt wurden.

Am 17.09.2020 wurde The AI Prostheses in Zagreb „uraufgeführt“. Im esc medien kunst labor wird die Inszenierung der KI Amygdala und anderer Prothesen nun fortgesetzt. Amygdala, Rei und C“ werden in der Ausstellung präsentiert. Ihrem ursprünglichen Kontext (den Performances der Künstler:innen) entnommen, referenzieren die Objekte nun auf die Prothese. Eigentlich auf eine Art „Anti-Prothese“, denn wie der Künstler Donnarumma über die Installation schreibt, ginge es nun letztlich um das „Machine Learning System“, das die KI nutzt, um auf Stimuli im Raum mit Bewegungsmustern zu reagieren. So thematisieren die Künstler:innen mit den AI Prostheses vielmehr das potentielle Eigenleben einer KI über ihre Reaktionsfähigkeit, als das Thema der Körperwiederherstellung oder Körpermodifikation durch Prothesen. Die künstlich intelligente Prothese als selbstständiger Akteur einer Kunstperformance wird in der Installation The AI Prostheses zu einem performativen Objekt, das über die Bewegungen der Künstler:innen in den Performances seine eigene Wirklichkeit erst hervorbringen musste.

[MA Elisabeth Passath]

Quellennachweis:

https://marcodonnarumma.com/works/the-ai-prostheses/
https://marcodonnarumma.com/about/biography/
http://anarajcevic.com/work/amygdala-mk2
http://anarajcevic.com/work/amygdala
http://anarajcevic.com/about
John Austin, „How to do things with words“, 1955/1962