EMPATHY SWARM, CURIOUS TAUTOPHONE AND DR. DOPPLERS MACHINE
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Dienstag - Freitag
14:00 - 19:00 Uhr
und nach Vereinbarung
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Installationen:
EMPATHY SWARM,
CURIOUS TAUTOPHONE
AND DR. DOPPLERS MACHINE
„HAL, haben Sie jemals darunter gelitten, dass Sie, trotz Ihrer enormen Intelligenz, von Menschen abhängig sind, um Ihre Aufgaben auszuführen?
HAL 9000: Nicht im Geringsten. Ich arbeite gerne mit Menschen.“
[aus: 2001: Odyssee im Weltraum (1968), HAL: Heuristically programmed ALgorithmic computer]
Digitale Technologien durchdringen zunehmend alle unsere Lebensbereiche. Selbstlernende Programme, die auf Algorithmen basieren, beeinflussen nicht nur unser Verhalten, ihnen wird zunehmend die Befugnis erteilt, Entscheidungen zu treffen, die sowohl für unser individuelles Leben als auch für unsere Gesellschaft weitreichende Konsequenzen haben. Aber wie objektiv sind diese Programme wirklich? Nach welchen Gesetzen funktionieren sie und wer profitiert davon? Kann ein sich laufend weiterentwickelndes System autonomer Roboter, das wie ein Interface zwischen Mensch und Maschine agiert, ein Ökosystem für die Koexistenz beider Spezies in einer demokratischen Gesellschaft, geprägt von Empathie und Respekt, bilden?
Um Regeln für den Umgang mit neuen Technologien zu schaffen, benötigen wir Wissen, das über deren bloßen Gebrauch hinausgeht. Die Installationen von Katrin Hochschuh und Adam Donovan laden auf ästhetische und sinnliche Weise zur bewussten Wahrnehmung und Auseinandersetzung mit diesen Technologien ein.
EMPATHY SWARM bildet eine Gesellschaft robotischer Wesen, die auf der Gleichheit aller Mitglieder aufbaut und kontinuierlich die Bedürfnisse aller Individuen verhandelt und ausbalanciert. In dieser Rolle als Mensch-Maschine-Interface aktiviert das robotische System Emotionen der menschlichen Betrachterinnen und Betrachter und reagiert auf sie. Während sich der Schwarm durch seine Bewegungen ausdrückt, reagiert der Mensch unterbewusst darauf und verrät durch sein Verhalten und seinen Gesichtsausdruck sein emotionales Befinden. Im Zusammenspiel generieren diese Mechanismen ein Bio-Feedback-Loop, das die Interdependenz beider Spezies zeigt.
In der Auseinandersetzung mit den zugrunde liegenden Technologien Machine Learning und in Folge Künstliche Intelligenz postuliert EMPATHY SWARM einen anderen Umgang mit diesen aktuellen, technologischen Möglichkeiten als die Optimierungslogik, die den meisten Anwendungen der großen Konzerne zugrunde liegt, die Verfeinerung von Überwachungsmethoden oder die Manipulation von Nachrichten, etc. .
Stattdessen steht die Idee von Selbstbestimmung und -motivation der robotischen Maschine im Vordergrund, mit dem Ziel einer vorsichtigen Annäherung beider Spezies in ein Ökosystem und eine Gesellschaft aus Empathie und Mitgefühl füreinander und untereinander.
Das menschliche und robotische Bewusstsein werden in einem ausgedehnten kollektiven Gedächtnis vereint, welches die Informations- und Inspirationsquelle zukünftiger Gesellschaften bildet und als Strategie gegen dystopische Szenarien genutzt werden kann.
EMPATHY SWARM ist ein sich laufend weiterentwickelndes System autonomer Roboter, das wie ein Interface zwischen Mensch und Maschine agiert und so ein Ökosystem für die Koexistenz von Mensch und Maschine bildet oder bilden kann.
Inspiriert von unzähligen Eindrücken und Verhaltensmöglichkeiten eines Schwarms hält der Schwarm-Zeichen-Roboter dieses fest. Eng mit dem EMPATHY SWARM verbunden, reinterpretiert SWARM DRAWINGS, wie ein Algorithmus Zeit und Bewegung erfassen kann, indem die Zeichnungen Muster und Strukturen aufzeigen, die der Logik der EMPATHY SWARM-Gesellschaft unterliegen und die nur durch die zeitliche Dimension in ihrer Überlagerung deutlich werden. SWARM DRAWINGS geht Fragen nach einem möglichen Selbstverständnis einer Maschine nach: kann ein Roboter sein eigenes Verständnis für die seiner Spezies zugrunde liegende Realität entwickeln und ausdrücken? Ist ein Roboter fähig Kreativität zu entwickeln?
SWARM DRAWINGS ist sowohl eine robotische Installation als auch die zeichnerischen Erzeugnisse, die sie produziert.
Als glänzender, metallener Roboter dreht CURIOUS TAUTOPHONE einen direktionalen Lautsprecher um zwei Achsen: ein Feld aus Licht bewegt sich synchron mit einem Strahl aus Klang. Imaginär werden die Betrachterinnen und Betrachter wie von einem Strudel in die Installation gesogen, um sich in einer stetig verändernden räumlichen Klangskulptur wiederzufinden, die sie aufnimmt und umhüllt. Für einen Moment entsteht Intimität zwischen den Besucherinnen und Besuchern und dem Roboter und öffnet eine Tür ‒ ein Interface zwischen Mensch und Maschine.
Der bewußt nicht-anthropomorphe Roboter ist die Quelle dieser transzendenten Atmosphäre, die das Unterbewusstsein des Betrachters auditiv und visuell stimuliert und davon genährt wird, dass das Megatautophone gleichermaßen eine Apparatur der Kunst wie der Musik und gleichzeitig ein Instrument der Psychologie und Physik ist.
Der Name Tautophone leitet sich von projektiven Hörtests der Psychologen Skinner, Rosenzweig und Shakow ab, die als Form eines hörbaren Rorschach-Tests verstanden werden können, bei dem eine Sequenz von Vokalen wiederholt wird und diese anstelle des Tintenklecks-Bildes latente Sprache, verborgen im Unterbewusstsein des Zuhörers, zum Vorschein zu bringen versucht. Das Tautophone scheint neugierig – kurios – curious zu sein, motiviert, seine Umgebung zu erforschen und zu lernen. Dieser Eindruck wird durch die menschliche Fähigkeit Mitgefühl mit Maschinen und Dingen zu haben, die schon 1944 von den Psychologen Heider und Simmel untersucht und dargelegt wurde, bestätigt.
Dieses Sich-in-andere- bzw. in-anderes-Hineinzuversetzen gibt Raum für Spekulation über das menschliche Bedürfnis, ein Weiterleben des eigenen Ichs in neuen Lebensformen zu ermöglichen, dem eine unterbewusste Gewissheit der eigenen Sterblichkeit zugrunde liegt.
Tensor Fields – Tensor Felder – sind der mathematische Begriff für die Darstellung der visuellen Umgebung, die kontinuierlich neue Formen annimmt – sich stetig verändernde Tintenkleckse aus Licht. Durch das physikalische Phänomen des gerichteten Klangs als Medium robotischen Ausdrucks und aufgrund der ungewöhnlichen, fast unheimlichen Natur des Hörens dieser auditiven Halluzinationen, wird der Sinnesapparat des Betrachters durch die Vielzahl sublimer Stimuli geschärft und intensiviert.
Letztendlich beschäftigt sich CURIOUS TAUTOPHONE mit den grundlegenden Strukturen, die Realität und Möglichkeit miteinander verknüpfen, wobei die Rolle des Roboters darin liegt, das kognitive Gewebe, welches Mensch und Maschine verbindet, neu zu kalibrieren.
Das MULTIPLEXING TAUTOPHONE ist eine ebenfalls mit hoher Geschwindigkeit rotierende, parametrische Lautsprecherskulptur, die einen schmalen, gebündelten Strahl aus Schallwellen in jede beliebige Richtung aussendet. Durch sorgfältig getimte Impulse kann der Schall über den ganzen Raum verteilt werden, sodass der Eindruck entsteht, es gebe viele Klangquellen, ohne dass ein weiterer Lautsprecher vorhanden ist.
DR. DOPPLERS MACHINE erforscht Räumlichkeit durch den Doppler-Effekt. Er ist ein „Nachhörwirkungs-Roboter“ im Sinne einer auditiven Nachbildwirkung, die sich statt auf der Netzhaut im Gehör eingraviert. Es handelt sich dabei um ein Stereo-Lautsprechersystem, das eine Basisbreite von zwei Metern hat und mit bis zu 500 Umdrehungen pro Minute rotiert, sodass sich das eingespeiste Signal durch den Doppler-Effekt verändert. Bei dieser Geschwindigkeit kann DR. DOPPLERS MACHINE 16 virtuelle Lautsprecherpositionen pro Sekunde generieren, wodurch ein hyperräumlicher Eindruck entsteht. Durch das gezielte Setzen von Audioimpulsen scheint es, dass der Sound entlang des Kreises unabhängig von der Drehrichtung in beliebige Richtungen wandern kann. Lichtimpulse kreieren zudem eine Unterteilung der audiovisuellen Wahrnehmung in ihre Bestandteile, wodurch der räumliche Klangeffekt noch an Stärke gewinnt.
Unser menschlicher Verstand kann nicht ganz nachvollziehen, wie sich hier Licht und Ton gegenüberstehen ‒ und während wir das Geschehen bewusst wahrnehmen, also sehen und hören können, werden wir doch in einen leicht hypnotischen Zustand versetzt.
Das menschliche Gehirn kann nicht völlig verstehen, wie es dem Klang möglich ist, sich in entgegengesetzter Richtung des Lichtes zu bewegen. Während der bewusste Teil des Gehirns dies wahrnehmen kann, fixiert sich der unterbewusste Teil auf die leicht hypnotische Erfahrung. Zusätzlich zu diesem Effekt modifiziert auch der namensgebende Dopplereffekt die Klänge und spielt so mit dem Andershören der Betrachter.
Text von: Matteo Marangoni (übersetzt von: Katrin Hochschuh)
Kann das Züchten von Robotern ein Empathie-Defizit lösen?
Ein Einmachglas voll Sauerteig ist in meinem Rucksack explodiert. Vor einigen Stunden war es noch halbvoll. In völliger Ahnungslosigkeit, dass die Kreaturen in dem Einmachglas lebendig sind und nur darauf warten, die Kapazität des Glascontainers zu sprengen, packte ich meine Tasche. Nun haftet eine klebrige Masse aus Mehl und Wasser an meiner Ausgabe von Valentino Braitenbergs „Vehicles, Experiments in Synthetic Psychology“, einem amüsanten kleinen Buch, das 1984 veröffentlicht wurde und welches eine Serie von Insektengleichen Maschinen, beschreibt, die Emotionen von Angst, Aggression und Liebe ausdrücken.
In einer landwirtschaftlichen Gegend außerhalb von Hamm bekam ich das verdächtige Glas von Katrin. Sie und Adam züchten eine neue Spezies von robotischen Kreaturen, welche auf dem Boden herumkriechen, wo sich einmal das Wohnzimmer befand. Wenn sie nicht gerade Code für die Roboter entwickelt, backt Katrin ein ganz ausgezeichnetes Brot in der anliegenden Küche. Auch ich möchte lernen so zu backen, mit dem Resultat, dass der Vorteig nun sämtliche Seiten meiner Referenzliteratur bedeckt.
Draußen über den Weizen- und Maisfeldern heben sich die Kühltürme eines Kernkraftwerks vom Horizont ab. Das Kraftwerk beherbergte einst einen experimentellen Thorium Reaktor mit dem ominösen Namen THTR-300. Nukleare Kettenreaktionen, die in seinem Kern stattfanden, wurden nach einem Leck von ionisierten Partikeln, die zeitgleich mit der Katastrophe von Tschernobyl 1986 in die Umgebung entwichen, zu einem Ende gebracht. Ich denke an andere Container, die von exponentiellem Wachstum überwältigt wurden, ich denke an Al Bartlett an der Universität von Colorado, an Boulder und seine berühmte Vorlesung „Arithmetic, Population and Energy“, die er über 1.700 mal gehalten hat. „Stelle dir Bakterien vor, welche langsam in einer Flasche wachsen. Sie verdoppeln ihre Anzahl jede Minute. Um elf Uhr befindet sich ein Bakterium in der Flasche, um zwölf Uhr ist die Flasche voll. Um welche Uhrzeit war sie halbvoll? Würde man es glauben, um 11:59, da sich die Anzahl jede Minute verdoppelt. Wenn du ein Bakterium in der Flasche wärst, zu welcher Zeit würdest du zum ersten Mal realisieren, dass euch der Platz ausgeht? Denk darüber nach, dies ist die Art von kontinuierlichem Wachstum, die das Kernstück unserer gesamten globalen Ökonomie bildet.“
Das zweistöckige Familienhaus, in welchem ich Katrin und Adam besuche, wurde von Katrins Urgroßvater gebaut. Er betrieb eine Schneiderei im Erdgeschoss und züchtete Ziegen im Garten. Nun ist das Haus der Schauplatz einer ganz anderen Art von Landhausindustrie. Im Obergeschoss werden Roboter zusammengebaut. Wenn alles nach Plan geht, wird sich der Schwarm bald um eine Zehnerpotenz vermehren, von einem ersten Satz von 10 Prototypen zu 100 Einheiten. Adam spaßt, dass er sich selbst erst in einen Fließbandroboter verwandeln muss, um die Deadline zu schaffen. Zu diesem Zeitpunkt können sich die Kreaturen noch nicht alleine reproduzieren.
Katrin und Adam haben sich in der Schweiz während einer Ausstellung, in der Adam und zwei Roboterarme Partikel durch akustische Wellen zum Schweben gebracht haben, kennengelernt. Fasziniert von akustischen Linsen und den Möglichkeiten mit Sound die menschliche Wahrnehmung auf den Kopf zu stellen, hat sich Adam in den letzten zwei Jahrzehnten mit Sound und Robotik auseinandergesetzt. 2001 hat er eine Residenz bei der Defense Science and Technology Organisation in Adelaide verbracht, wo er zum ersten Mal die Möglichkeiten von hyper-gerichtetem Schall erforschen konnte. Katrin nährte ihr Interesse an Robotik während ihres Architekturstudiums, erst in Wuppertal, dann an der ETH Zürich. Ihre Forschung näherte sich digitalem parametrischen Design aus der Richtung an, einen Schwarm von Baudrohnen zu konzipieren, welcher zur Errichtung eines temporären Pavillons zusammenarbeitet. Wie bei den meisten Architekten, blieben ihre Ideen Entwürfe, die auf die Realisierung warten. Das Zusammentreffen von Katrin und Adam bot die Möglichkeit, die Expertise beider zu kombinieren und Leben in einen tatsächlichen Schwarm künstlicher Einheiten zu hauchen. Katrin wurde die Coderin und Adam der Hardware-Typ.
Die kleinen hexagonalen Fahrzeuge, die um meine Füße tanzen sind eine physikalische Implementierung des wohlbekannten Algorithmus der Boids, der 1986 von Craig Reynolds kreiert wurde und das Schwarmverhalten von Vögeln simuliert. Auch ich erinnere mich daran wie ich im Programmierunterricht mit diesem Code gespielt habe. Doch jetzt sind es freilaufende Hexagons auf dem Boden.
Dumuchel und Damiano erklären in ihrem aktuellen Living with Robots, wie sich das Feld der künstlichen Ethologie mit der Schaffung von biomimetischen Robotern auseinandersetzt, die als wissenschaftliche Instrumente zur Untersuchung von Theorien über Tierverhalten dienen. Es gibt Vorteile, Roboter statt Simulationen zu nutzen. Robotik erlaubt die Erfassung des Zusammenspiels physikalischer Kräfte in einem Model, die zu komplex sind, um akkurat in virtuellen Umgebungen simuliert zu werden. Wichtiger noch ist die körperliche Präsenz der Roboter, die den selben Raum bespielen wie unsere menschlichen Körper und so Reaktionen herbeiführen und Interaktionen erzeugen.
Die übergeordnete Frage, die Craig Reynolds mit seinen Boids zu beantworten suchte, ist die danach, wie ein Schwarm autonomer Agenten sich ohne zentrale Autorität organisiert.
Mit seinem Boid-System war er in der Lage das Schwarmverhalten von Vögeln mit drei einfachen Regeln zu modellieren: Abstand, Ausrichtung und Zusammenhalt – separation, alignment und cohesion. Die Richtung, die jeder Agent in jedem Programmzyklus einschlägt, ist die Vektorsumme dieser drei Parameter. Separation bezieht sich auf den Abstand, den jeder Agent von seinen Nachbarn halten will. Alignment steuert die Agenten in die durchschnittliche Richtung der Schwarm-Kollegen, die sich in unmittelbarer Nähe befinden. Cohesion lenkt die Agenten zum Zentrum des Schwarms, um so Teil der Gruppe zu bleiben. Stellen wir uns diese drei Parameter mit Valentino Braitenbergs Interpretation robotischer Bewegung vor, dann würden wir sie Privatsphäre, Konformismus und Loyalität nennen.
Einer der Reize, sich mit Schwarm-Intelligenz auseinanderzusetzen, ist das Versprechen bessere Systeme der Gewaltenteilung zu entwickeln. Systeme, in welchen jedes individuelle Mitglied einer Gruppe in den Entscheidungsprozess miteinbezogen wird. Dokumentarfilmemacher Adam Curtis bezieht sich in All Watched over by Machines of Loving Grace auf ein Experiment, welches während der SIGGRAPH 91 Konferenz in Las Vegas stattgefunden hat. Dank damals modernster Computergraphik, konnten 5.000 Teilnehmer , die mit einer farbcodierten Tafel ausgerüstet wurden, zusammen das Videospiel Pong spielen. Das System erfasste die vom Publikum gehaltenen Tafeln in Echtzeit, sodass die Schläger des Spiels durch den Input der Menge gesteuert wurde. Das Experiment zeigte einen neuen Ansatz zur kollektiven Entscheidungsfindung, welcher eine soziale Revolution versprach. Im Zeitraffer, fast drei Jahrzehnte später ist viel des frühen Enthusiasmus der digitalen Informationstechnologie verschwunden. Die Labilität der Börse, Cybermobbing, Datamining, Online-Zensur und Fake-News.
Wir haben die schwierige Frage erreicht: Wo steckt nun die Empathie in diesem Schwarm?
Empathie war seit Wissenschaftler beim Scannen von Affenhirnen auf die Idee von Spiegelneuronen getroffen sind ein beliebtes Schlagwort. Wenn wir jemanden, der unter Schmerzen leidet, beobachten, fühlen wir diesen Schmerz selber. Hiermit hat die Neurowissenschaft eine Erklärung für das, was das Theaterpublikum für Jahrhunderte im Angesicht der Leiden von Antigone oder Ophelia gefühlt hat, gefunden. Auf dieser Erkenntnis aufbauend macht Jeremy Rifkin in The Empathic Civilization einen Vorschlag, wie wir diese neuentdeckten Hirnmechanismen für den Kampf gegen globale Herausforderungen wie den Klimawandel nutzen können. Wenn wir doch nur den Schmerz unserer Mitmenschen auf der anderen Seite des Globus fühlen könnten, würde uns dies einen Schritt näher an das Reformieren unseres Konsumverhaltens rücken.
Ein Hindernis liegt im Weg, Rifkins Vorschlag zu verfolgen. Mit Online-Umgebungen, die uns mit der gesamten Welt verknüpfen, haben Menschen ein einschneidendes Empathie-Defizit gezeigt. 2009 hat die Niederländische Künstlerin Tinkerbell unter dem Titel Dearest Tinkerbell ein gedrucktes Archiv von Hass-Emails und Morddrohungen veröffentlicht, die sie bekam, nachdem sie behauptete, eine Handtasche aus dem Fell ihrer eigenen Katze geschneidert zu haben. „Ich hoffe ernsthaft, dass du die Obsession eines Soziopathen wirst und dass er eine Handtasche aus dir macht“ klang in unterschiedlichen Varianten durch das Schwarm-Gehirn.
Ist es wahr, was gesagt wird, dass das Internet von Menschen mit sozialen Einschränkungen ihren Vorstellungen entsprechend kreiert wurde?
Der zurückgezogene Erfinder, der sich robotische Gefährten als Kompensation für ein Fehlen menschlicher Verbindung schafft, ist eine Art Comicartiger Stereotype. Es macht Sinn, dass jene, die sich nicht wohl in der komplexen Welt menschlicher und verletzlicher Emotionen fühlen, einen Trost in alternativen Realitäten finden, wo das Verhalten von Kameraden parametrisch modelliert werden kann, um in eine vordefinierte Komfortzone zu passen. Denk an die Androiden aus Sci-Fi Serien wie Westworld, wo die Gastgeber des Vergnügungsparks mit einem Klick in einer App umprogrammiert werden können, um von unterwürfig auf aggressiv umzuschalten.
Wo Fantasie und Realität aufeinandertreffen, schlägt das Feld der sozialen Robotik die Entwicklung einer neuen Art künstlicher Intelligenz vor, welche menschliche Emotionen erkennen und darauf reagieren kann. Eine der Inspirationen für Empathy Swarm ist die Arbeit von Robotikerin Angelica Lim. Während ihres Doktorats an der Universität von Kyoto entwickelte sie SIRE, ein multimodales System, welches KI Agenten erlaubt emotionale Reaktionen zu erkennen und auszudrücken. Im Gegensatz zu anderen Forschern in ihrem Bereich, beschäftigt sich Angelica Lim nicht mit dem offensichtlicheren Pfad des Lesens und Imitierens menschlicher Gesichtsausdrücke. SIRE steht für Speed, Intensity, Regularity und Extent – Geschwindigkeit, Intensität, Regelmäßigkeit und Ausmaß. Ausgehend von der Analyse der Variationen dieser vier Parameter, versucht SIRE Rückschlüsse auf den Ausdruck von Emotionen durch Körpersprache und stimmliche Dynamik zu ziehen. Das System kreiert daraus eine Referenzdatenbank, von welcher es eigene emotionale Reaktionen generieren kann. Eine KI, die anhand von Beispielen lernt wie es ist, emotional zu sein.
Und hier liegt die Krux in der Materie. Die Herausforderung, Robotern die Entwicklung emotionaler Verbindungen zu lehren, wie unwahrscheinlich die Aussicht auf wahrhaft emotionale Maschinen auch sein mag, kann uns doch eine Einsicht darin liefern, wie wir uns gegenseitig mehr Mitgefühl füreinander beibringen können.
Emotionen dort zu suchen, wo sie am wenigsten erwartet werden, liegt Empathy Swarm zugrunde. Ein Experiment, welches 1944 von den Psychologen Fritz Heider und Marianne Simmel durchgeführt wurde, ist eine von Katrin und Adams Referenzen. Heider und Simmel präsentierten einer Gruppe von Testpersonen einen kurzen animierten Film, welche darauf folgend aufgefordert wurden, zu beschreiben, was sie gesehen haben. Der Film zeigte einige einfache geometrische Figuren in Bewegung. Die meisten Beobachter dekodierten die Choreographie problemlos als Kurzgeschichte, in welcher die Formen Menschen mit Emotionen wie Liebe, Ärger und Traurigkeit repräsentieren. Kein Grund, sich die Mühe zu geben und Comics von einer Maus zu zeichnen, wenn wir uns so einfach emotional mit den Abenteuern eines Dreiecks und eines Kreises identifizieren können.
Aktuelle Forschung in der Sozialen Robotik findet direkte Anwendung in Bereichen wie dem Gesundheitswesen, wo Roboter anstelle von menschlichen Pflegern sitzen. Dieses Verhältnis scheint umgekehrt zu sein, wenn ich Katrin und Adam bei der Entwicklung von Empathy Swarm beobachte. Bei der Arbeit im Studio sind sie die menschlichen Fürsorger, während die Roboter auf sie angewiesen sind. Als ich mich den Kreaturen nähere, komme ich zu nah und bringe aus Versehen das Tracking System durcheinander. Die Kreaturen verlieren ihre Orientierung und laufen aus ihrem Spielfeld heraus. Geduldig fangen wir sie wieder ein und bringen sie zurück in Sicherheit. Wenn wir Roboter, die Empathie haben, aufziehen möchten, dann machen Katrin und Adam dies auf traditionelle Art und Weise wie ein liebevolles Paar, das Kinder aufzieht.
Mein erster Laib aus Sauerteig sieht fertig für den Ofen aus. Menschen und Hefen haben für eine Weile zusammengearbeitet. Es liegt Versprechen in der Zusammenarbeit radikal verschiedener Entitäten.